In letzter Zeit wurde schon ausschweifend über Legend of Grimrock berichtet. Sowohl in Fachzeitschriften als auch in Blogs wurde das Spiel überwiegend mit Lob überhäuft. Nun, nachdem ich es vor Kurzem selbst durchgespielt habe, wundere ich mich ein wenig darüber, dass es so wenig Kritik gab. Denn verglichen mit dem großen Vorbild Dungeon Master ist […]

Legend of Grimrock – Wirklich besser?

6. Mai 2012

In letzter Zeit wurde schon ausschweifend über Legend of Grimrock berichtet. Sowohl in Fachzeitschriften als auch in Blogs wurde das Spiel überwiegend mit Lob überhäuft. Nun, nachdem ich es vor Kurzem selbst durchgespielt habe, wundere ich mich ein wenig darüber, dass es so wenig Kritik gab. Denn verglichen mit dem großen Vorbild Dungeon Master ist in Legend of Grimrock nur die Grafik besser geworden.

Bei fast allen Reviews und Tests, die ich gelesen habe, machte sich bei mir der Eindruck breit, dass die werten Tester die Vorbilder Dungeon Master und Eye of the Beholder nur aus der Wikipedia kennen. Das ist an sich auch kein Wunder, den das Release von Dungeon Master liegt bereits 25 Jahre zurück. Das ist nicht nur eine Zeitspanne, die das Alter so mancher Gamer übersteigt, sondern auch das Erinnerungsvermögen älterer Generationen trüben kann.

Das grundsätzliche Spielprinzip will ich nur kurz anschneiden. Das wurde andernorts schon zur Genüge erläutert und kann inzwischen auch hundertfach auf YouTube betrachtet werden. Wichtig ist nur, dass man sich in Echtzeit auf einem rasterförmigen Spielfeld bewegt und spielrelevante Drehungen nur im 90° Winkel möglich sind. Ich persönlich empfinde dieses Spielkonzept nicht nur als logischen Vorgänger moderner First-Person Spiele, sondern auch als eigenständiges Genre, das bedauerlicherweise durch den 3D Hype vor 20 Jahren unter die Räder kam. Um so glücklicher bin ich daher über das Erscheinen von Legend of Grimrock und hoffe, dass es Almost Human gelingt, das Konzept wieder salonfähig zu machen.

YouTube Preview Image

Was den vier Entwicklern von Almost Human zweifelsfrei gelungen ist, ist die grafische Umsetzung. Legend of Grimrock sieht nicht nach einer Retro-Inkarnation, sondern nach einem modernen Spiel mit schöner Grafik aus. Gleich geblieben ist die Spielmechanik, bei den Details hingegen wurde leider gekürzt bzw. wurden diese vereinfacht. Wer Dungeon Master nicht kennt, wird freilich nichts vermissen. Ich will daher ein paar Beispiele nennen, was mir im Spielverlauf gefehlt hat.

Was vermutlich als erstes auffällt, ist das Fehlen von Wasser in Grimrock. In Dungeon Master mussten die Helden nicht nur mit Nahrung, sondern auch mit Getränken versorgt werden. Im Labyrinth konnte man hin und wieder Brunnen, Wasserflaschen und -schläuche finden und musste mit seinem Wasservorrat vorausschauend umgehen, da es auch Ebenen ohne Wasser gab.

Vereinfacht wurde auch das Zaubersystem. Das kann ich teilweise verstehen, da es in Dungeon Master sehr viele Runen und Variationen gab. Die Möglichkeit, mit der ersten Rune die Stärke des Zaubers zu beeinflussen fand ich hingegen genial. Die Vereinfachung hätte nicht so radikal ausfallen müssen, denn in einem direkten Vergleich sieht das Magiesystem von Legend of Grimrock nur wie eine Casual-Version des Dungeon Master Systems aus. Zudem erlaubt das Skillsystem keine Zauber, die aus der Reihe fallen. Z.B. gab es in Dungeon Master einen Zauber, um durch Wände zu sehen. Dieser Zauber war für das Lösen von Rätseln und Finden einiger Geheimräume sehr wichtig. Im starren Skillsystem von Legend of Grimrock haben solche Zauber aber keinen Platz. Überhaupt dienen die meisten Zauber bei Grimrock nur dem Kampf. Die Ausnahme bildet der Lichtspruch, der jedoch an die Qualität einer Fackel nicht heranreicht. Solche künstlichen Beschränkungen findet man in Dungeon Master eher selten.

Ein weiteres Beispiel für die Vereinfachung ist das Fehlen von Verletzungen. Während man in Legend of Grimrock hauptsächlich auf seine Lebensenergie, Krankheit und Vergiftung achten muss, konnte man in Dungeon Master auch verletzt werden. Das sah man an einer bandagierten Hand oder einem verbundenen Fuß. Der Bezug zur eigenen Partie wurde dadurch gestärkt. Man achtete mehr auf den Rollenspielaspekt und war mit der Heldengruppe beschäftigt. Zudem war es nicht selten, dass man die Positionen der Gruppe veränderte. Bei Legend of Grimrock standen bei mir die Positionen nach der Charaktergenerierung fest. Daran habe ich bis zum Schluss des Spiels nichts geändert, den dafür gab es keinen Bedarf.

Ganz besonders Schade empfand ich das Fehlen jeglicher NPCs im Spiel. Zugegeben, in Dungeon Master gibt es auch keine NPCs. Aber in dem immerhin auch schon 23 Jahre alten Eye of Beholder konnte man nicht nur Personen treffen, sich mit ihnen unterhalten und handeln, sondern auch NPCs in die eigene Gruppe aufnehmen. Diese wurden dann vom PC gesteuert und verließen meist nach einiger Zeit oder einer Mission die Gruppe wieder. Grimrock bietet in dieser Hinsicht nur die verstreuten Aufzeichnungen von Toorum. Das ist nett, kommt aber nicht annähernd an seine uralten Vorbilder ran.

Vermutlich liegt das Fehlen der NPCs einfach daran, dass die Engine noch nicht so weit ausgereift ist. Klar, optisch ist sie toll, bei weitem aber nicht perfekt. Bei einem Test musste ich feststellen, dass einige Rätsel auf älteren PCs gar nicht zu lösen sind, weil die Bewegungsgeschwindigkeit der Partie von der CPU Leistung abhängig ist. Das wirkt sich auch direkt auf den Schwierigkeitsgrad aus, denn die Umgebung (z.B. zeitgesteuerte Türen) und Gegner sind von der CPU Leistung nicht betroffen und bewegen sich mit vorgegebener Geschwindigkeit. Auf einem langsamen Rechner ist Legend of Grimrock daher trotz normaler Schwierigkeitsstufe schwerer zu spielen als auf einem schnellen PC im schwierigsten Modus. Das dürfte in vielen Foren für Verstimmungen sorgen, wenn Spieler mit unterschiedlichen System über den zu hohen oder zu niedrigen Schwierigkeitsgrad diskutieren.

Ebenfalls eine klare Schwäche der Engine zeigt sich, wenn ein Mitglied der Partie stirbt. Das gesamte Inventar und die Gebeine des Verstorbenen schweben dann quasi neben den Ãœberlebenden her, bis man einen blauen Kristall gefunden hat. Sorry, ich will ja nicht kleinlich klingen, aber das ist doch ein Zeichen für ein verfrühten Releasetermin. Bei vier Entwicklern, die zwei Jahre auf eigene Kosten an einem Spiel entwickeln, kann ich das sogar verstehen, aber versucht mal nur einen einzigen „Test“ im Netz zu finden, der das thematisiert oder gar kritisiert.

 

Ich hatte mir gewünscht, das Almost Human das Genre neu definiert, nicht nur Bekanntes nachbaut, sondern neu erfindet. Vielleicht hatten sie das auch vor, und was man so aus dem Grimrock Forum hört, wird auch noch vieles mit dem Leveleditor nachgereicht. Das aktuelle Spiel stellt allerdings keine Weiterentwicklung, sondern einen Zusammenstrich auf das Wesentliche dar. Eine „Vercausualisierung“ für eine neue Zielgruppe, die an dieses Genre erst herangeführt werden muss.

Trotz all des Gemeckers, bin ich unterm Strich doch positiv zu Legend of Grimrock eingestellt (sonst hätte ich es kaum komplett durchgespielt). Nachdem ich nach einiger Zeit festgestellt habe, dass es meinen überhöhten Erwartungen nicht standhalten kann, habe ich es als das akzeptiert, als das man es am besten sehen sollte: Als eigenständiges Spiel, das in die Fußstapfen seiner Vorgänger tritt, aber nicht den Anspruch erhebt, diese auch auszufüllen. Wozu auch, die frühere Zielgruppe ist heutzutage nur noch ein kleiner Teil der „Zahlgruppe“. Wichtiger ist es, möglichst viele Spieler zu begeistern, um diesem vergessenen Spielkonzept einen Neuanfang zu ermöglichen.

Fairnesshalber gebe ich auch gerne zu, dass Legend of Grimrock auch ein paar Ãœberraschungen parat hatte. Amüsiert hat mich die Fähigkeit des „Headhunters“. Und ich bin sogar bereitwillig 6 Stockwerke hoch gestiegen, um einen vergessenen Schädel zu suchen. Die Rätsel waren fast durchgehend logisch aufgebaut und mit ein wenig Grübeln und Ausprobieren zu lösen. Und natürlich der Endgegner sowie die Taktik, um diesen zu besiegen hat mich positiv überrascht.

Als Fazit gebe ich gerne eine Kaufempfehlung ab. Ich bin mir schließlich bewusst, dass ich hier einen 15$ Indietitel mit mehreren, wenn auch alten, Vollpreistiteln vergleiche. Zudem gönne ich Almost Human den Erfolg, denn die Jungs halten Wort und arbeiten fleißig am Leveleditor, der nicht nur ein paar der bemängelten Punkte ausbügeln, sondern Genrefans wie mich noch über Jahre mit neuem Spielstoff versorgen wird.

Wer Dungeon Master spielen möchte, sollte sich mal diese Version anschauen: Dungeon Master
Und zu Eye of the Beholder kann ich dieses Projekt empfehlen: Eye of the Beholder II

Das Eye of the Beholder Projekt stagniert leider seit September 2011. Schreibt dem Entwickler ruhig mal ne nette Mail. Das motiviert ungemein. Wäre ja schade um das schöne Projekt.

1 Kommentar zu „Legend of Grimrock – Wirklich besser?“

  1. Superlicious | Superlevel sagt:

    […] Legend of Grimrock – Wirklich besser? games indie 07.05.2012, von Superbot in Super.licio.us « Ludum Dare #23 – Reportage Teil 3/7 […]

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